Traces

Vor geraumer Zeit besuchte ich eine Kunstausstellung auf dem ehemaligen AEG-Gelände in Nürnberg. Ich möchte nicht sagen, dass die dort ausgestellten Exponate uninteressant gewesen wären, aber nach einer Weile hatte ich mich sattgesehen und konzentrierte mich mehr auf das im Verfall begriffene und renovierungsbedürftigte Gebäude, anstatt mich auf Bilder, Skulpturen und Gespräche mit Künstlern einzulassen. Mein Blick schweifte über abgehalfterte Einrichtungsgegenstände, morsche Fensterbänke, dick mit Farbe bestrichene Stahltüren und über allerhand andere Dinge, die vom Verfall gezeichnet waren.

Mein Hauptaugenmerk galt Gebrauchsspuren auf und innerhalb der Oberfläche eines Industriebodens. Dort zeichneten sich Gebilde und Muster ab, die ich fotografieren musste. Also hab´ ich´s getan: ….

 

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Fragen und Antworten

Angenommen ich wüsst‘ um was es geht. Also so insgesamt; so mit allem Drum und Dran. Nehmen wir ‚ mal an, ich würd‘ also alles checken; hätte stets auf alles eine richtige Antwort parat – eine die hundertprozentig stimmt; keine Larifari-Antwort; nicht so eine an den Haaren herbei- oder aus der Nase gezogene, auf Halbwissen aufbauende Allerweltsantwort; nein, eine absolut richtige, eine, die einem ‚Unwissenden‘ Hören und Sehen vergehen ließe; eine die einer armen umherirrenden Menschenseele die Sprache vor Ehrfurcht verschläge; vor lauter Verblüfftheit den Zapfen aus der Krone hauen tät‘; ergo, die ultimative Antwort wäre. Angenommen, ich hätte das auf dem Kasten, weil mich beispielsweise beim Pilzesuchen im Stadtwald ein gewaltiger, regenbogenfarbener Energiestrahl aus dem Weltall getroffen hätte, der mein jetziges, ballastbehaftetes Hirnschmalz im Bruchteil einer Nanosekunde verdampfen hat lassen und durch etwas auf diesem, unseren Planeten noch nie Dagewesenes ersetzt hätte. Nennen wir es „die Substanz“. Wie lange würde es wohl dauern, dass mir irgendein gewiefter, von Neid angetriebener, ebenso auf alles eine richtige Antwort parat haben wollender, also im Besitz der totalen Wahrheit entsprechenden Antworten sein wollender Normalo-Erdling auf die Schliche käme, und alles daran setzen würde, mir die ‚Substanz‘ aus dem Kopf zu schnippseln – auch auf die Gefahr hin, beim Einpflanzen in seinen eigenen Schädel den Löffel abzugeben, weil das Zeug nicht transplantiert werden kann, also für andere, nicht vom Strahl getroffene, unbrauchbar ist; wie lange würde das wohl dauern? Wahrscheinlich würde es nicht allzu lange dauern. Und wenn es keiner tut, der selbst die ultimativen Antworten geben möchte, um, sagen wir, damit anzugeben, oder einen Töpferkurs mit Bravour bestehen möchte, weil ihm die ‚Substanz‘ das Zusammenspiel zwischen Ton, Drehscheibe und Fliehkraft als Kinkerlitzchen erscheinen lässt, dann versucht es halt einer der anderweitig Kapital daraus schlagen will. Meinetwegen einer, der glaubt, dass die allgemeine Nachfrage nach ihr, ordentlich Penunze brächte. Die Substanz tät’s nicht lange geben, glaube ich. Ich befürchte, dass die wirklichen Antworten, weiterhin auf sich warten lassen, also nicht gefunden werden (wollen). Wenn sie gegeben werden sollten, dann vermutlich dem, der nicht danach trachtet, sie zu finden. – Ähnlich wie bei Steinpilzen: die zu finden ist auch Zufall.

Das Karussell

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Jardin du Luxembourg

Mit einem Dach und seinem Schatten dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von bunten Pferden, alle aus dem Land,
das lange zögert, eh es untergeht.
Zwar manche sind an Wagen angespannt,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
ein böser roter Löwe geht mit ihnen
und dann und wann ein weißer Elefant.

Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald,
nur dass er einen Sattel trägt und drüber
ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt.

Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge
und hält sich mit der kleinen heißen Hand
dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge.

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und auf den Pferden kommen sie vorüber,
auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge
fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge
schauen sie auf, irgendwohin, herüber –.

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und das geht hin und eilt sich, dass es endet,
und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.
Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,
ein kleines kaum begonnenes Profil –.
Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet,
ein seliges, das blendet und verschwendet
an dieses atemlose blinde Spiel …

Rainer Maria Rilke